Das Remake von Atelier Marie ist sehr gut gelungen und wertet die Reihe in einigen Aspekten sogar auf. Das entspannte Erlebnis glänzt vor allem auf der Switch.
Atelier Marie Remake: The Alchemist of Salburg ist das Remake des allerersten Atelier-Spiels der mittlerweile 24-teiligen Reihe. Es erschien 1997 für die erste PlayStation, Sega Saturn und dann 2000 für den PC, schaffte aber keine Veröffentlichung außerhalb von Japan. Später gab es weitere Versionen in Form einer Atelier Marie Plus-Version oder einem Bundle zusammen mit Atelier Elie für die PlayStation 2, Dreamcast oder Bandais WonderSwan Color, aber der Bekanntheitsgrad im Westen stieg erst später, mit einer sehr konstanten Veröffentlichung von etwa einem Atelier-Spiel pro Jahr. Entwickler Gust und Publisher Koei Tecmo feiern mit dem Atelier Marie Remake gleichzeitig das 25-jährige Jubiläum des gesamten Franchise.
Der neuste Eintrag der Atelier-Spiele, Atelier Ryza 3: Alchemist of the End & the Secret Key, erschien dieses Jahr und schloss die Trilogie rund um die wohl beliebteste Figur der Reihe ab. Vergleicht man Marie mit Ryza (also spieltechnisch, nicht optisch) so fällt gleich auf, dass sich seit dem ersten Spiel einiges getan hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreibe, aber einiges von den alten Spielelementen hätte ich für kommende Titel gerne wieder. So gibt es etwa in den neuen Teilen kein Zeitmanagement mehr. Stattdessen wird mehr Wert auf Erkundung und Entschleunigung gesetzt. Im Gegenzug ziehen sich die neueren Spiele der Serie gern in die Länge. Selbst wenn ihr alle sieben Enden von Atelier Marie sehen wollt und euch in jedem Gebiet maximal Zeit lasst, werdet ihr nicht mehr als 15 Stunden beschäftigt sein. Zudem hat sich die Reihe mittlerweile vom Chibi-Stil verabschiedet. Generell begrüße ich diese Änderung, fand die kleinen Figuren aber bei Marie charmant und einfach passend.
Der nächste Eintrag in der Reihe sorgt aktuell übrigens für ein wenig Wirbel. Atelier Resleriana: Forgotten Alchemy and the Polar Night soll ein Mobile-Game werden. Koei Tecmo und Gust wollen dafür mit dem Entwickler Akatsuki Games zusammenarbeiten.
Die schlechteste Schülerin der ganzen Welt!
Zurück zu Marie, die mit vollem Namen übrigens Marlone heißt. Sie ist die schlechteste Schülerin einer Alchemieschule in der Stadt "Salburg". Besonders frustriert darüber sind der Direktor der Schule und Lehrerin Ingrid, denn die Alchemieschule ist eine wichtige Ressource für die Hauptstadt und damit auch für das gesamte Königreich "Schigsal". Deshalb weist Ingrid unserer Protagonistin ein eigenes Atelier zu, unter der Bedingung, innerhalb von fünf Jahren einen besonderen Gegenstand herzustellen, der eine Qualität von mindestens sechs Sternen nachweisen kann. Schafft Marie das nicht, wird sie durchfallen.
Wir befinden in einer Art Fantasy-Mittelalter, das aber keine bestimmte Epoche oder einen echten Ort abbilden soll. Ich glaube, Gust mag es einfach, mit deutschen Begriffen um sich zu werfen, denn auch ein "Erfolgtower" und Charaktere, wie "Schwalbe" und "Der Himmel" tauchen im Laufe des Spiels auf.
Die Atmosphäre ist, wie bei allen Atelier-Spielen, sehr entspannt. Marie hat aber mit dem Atelier einiges zu tun: Sie kann es gestalten und darin Gegenstände brauen, braucht aber die nötigen Materialien, welche sie an verschiedenen Orten außerhalb der Stadt sammeln oder bei verschiedenen Händlern in Salburg kaufen kann. Um an Geld zu kommen, kann sie zudem Aufgaben in der Sky Tavern lösen oder sich auf die Monster im Schigsal-Königreich stürzen. Dabei entwickelt sich die Geschichte immer weiter und bringt bis zu zehn neue Verbündete und sieben verschiedene Enden hervor.
Eine bunte Vielfalt an Spielelementen
Koei Tecmo beschreibt das Remake als "Freizeit-Abenteuer-Rollenspiel" und das ist eine schön akkurate Genre-Beschreibung, wenn man denn unbedingt ein neues Genre für dieses Spiel erfinden möchte. Generell schlägt es aber in die gleiche Kerbe, wie ein Animal Crossing oder Harvestella, die sich nicht mehr durch die Spielelemente per se definierend, sondern darüber, wie gemütlich und erbaulich sie sind. Dazu gibt es mittlerweile ganze Directs (siehe Video). Atelier Marie ging natürlich schon 1997 in diese Richtung, hat sich als Remake aber trotzdem noch entspannter angefühlt, als die vielen neuen Atelier-Spiele. Vielleicht liegt das auch an der Chibi-Optik, an der nostalgischen Note, den pastelligen Farben oder der kurzen Spielzeit. Aber vor allem die Zusammenstellung der Spielelemente sorgt für angenehme (nicht zu langweilige!) Entschleunigung.
Wenn wir schon bei Animal Crossing sind: In Maries Atelier und außerhalb geht es nicht unbedingt darum, die Welt nach seiner eigenen Vorstellung zu gestalten. Trotzdem kann man sich kreativ ausleben, um das Königreich - und sogar die Geschichte - dem eigenen Spielstil und Maries Handlungen anzupassen. Das liegt nicht nur an den verschiedenen Enden, sondern auch daran, dass Marie, je nachdem, was sie tut oder mit wem sie spricht, unterschiedliche Charaktere anzieht, verschiedene Ereignisse auslöst oder geheime Orte entdeckt. Unwichtige NPCs erzählen manchmal Gerüchte, die neue Orte freischalten oder über neue Persönlichkeiten in Schigsal aufklären. Bestimmte Feste in der Stadt lösen ebenfalls Veränderungen aus. Auch was Marie herstellt, kann Auswirkungen auf Orte, Entdeckungen und Charaktere haben.
Das Atelier Marie Remake bietet keine besonderen Optionen zur Barrierefreiheit und ist nur auf Englisch verfügbar. Man kann lediglich einige Elemente in Richtung Geschwindigkeit anpassen, wie beispielsweise die Geschwindigkeit der Animationen im Kampf, Texte oder Steuerung.
Zudem gibt es eine Menge Spielmechaniken, die auf Marie gleichzeitig einwirken. Das sind echt viele: Zeit- oder Geldmanagement, die Alchemie, Erkundung auf der großen Weltkarte, die Gestaltung des eigenen Ateliers und der Figuren, rundenbasierte Kämpfe, Rollenspiel-Elemente, wie Ausrüstung und Fähigkeiten oder freundschaftliche Beziehungen zu NPCs, die neue Geschichten erzeugen. All diese Spielelemente erfinden nichts besonders neu und sind im Prinzip auf das Wesentliche runtergebrochen. Trotzdem haben sie alle ihre Eigenheiten, die viel zur Gesamtatmosphäre beitragen, was sie im Rückkehrschluss besser erscheinen lässt, als die Summe ihrer Einzelteile.
Besonders viel Spaß machen zudem die zufälligen Ereignisse in Form von Minispielen. Sammelt ihr mal einen goldenen Gegenstand auf, erzeugt eine besondere Synthese oder findet einen geheimen Ort, tauchen kleine Minispiele auf. Die sind nicht sehr komplex und meist an bekannte Spiele, wie Pacman, angelehnt, sehen aber putzig aus und bringen viel Abwechslung rein. Am wichtigsten ist, dass sie zufällig platziert sind, sodass sich der Erkundungsprozess immer lebendig anfühlt und Neugierde weckt.
Aber am besten erkennt man die Wechselwirkung zwischen minimalistischem Grundgerüst und reichhaltiger Atmosphäre wohl am Beispiel der Kämpfe. Die Rundenkämpfe sind eigentlich nichts besonderes und auf ihre grundlegenden JRPG-Regeln heruntergebrochen. Wie in den anderen Spielen der Reihe bieten lediglich die Gegenstände, die Marie selbst mit Alchemie gebastelt hat, einen zusätzlichen Mehrwert. Wenn ihr diese Gegenstände ausrüstet, können alle drei Gruppenmitglieder sie im Kampf nutzen. Die Gegenstände haben unterschiedlichste Funktionen: Sie können heilen, debuffen, buffen, viel Schaden anrichten oder mehrere Gegner gleichzeitig anvisieren und sind nach ihrem Einsatz aufgebraucht. Aber weil ihr zuvor so viel Energie in die Alchemie gesteckt habt, um diese Items zu erzeugen und euer Team zu entwickeln, habt ihr das Gefühl etwas Besonderes zu diesen Kämpfen beizutragen.
Nicht nur Alchemie erzeugt dieses runde Gefühl, sondern auch die Begleiter. Die NPCs freunden sich in der Stadt mit euch an. Manche sind Reisende, die erst später in die Stadt kommen, andere sind eure Mitschüler und wieder andere müsst ihr durch versteckte Ereignisse finden. Marie kann das eigene Team jederzeit nach Belieben umstellen, aber damit sind Kosten und euer Geldmanagement verbunden. Dass ihr befreundete Figuren visuell umgestalten könnt, trägt ebenfalls zur Immersion bei. Nebencharaktere besuchen Marie zudem zufällig im Atelier, um kleine Nebengeschichten zu erzählen oder euch Aufträge zu vermitteln, die wiederum satte Belohnungen enthalten. Dass die Figuren eigene Motivationen und Wünsche haben, vermittelt den Eindruck, sie hätten ein Eigenleben und eure Pfade würden sich nur kurzfristig kreuzen, um einem gemeinsamen Ziel nachzugehen. Das erinnert doch sehr an eigene Bekanntschaften, die man selbst macht, oder?
Die richtigen Zutaten für ein gelungenes Remake
Das Atelier Marie Remake, das ich auf der Switch gespielt habe, hat mich sowohl unterwegs als auch docked am TV komplett überzeugt. Die Bewegungen sind flüssig, die Ladezeiten kurz, es gab keinen einzigen Ruckler oder Frame-Einbrüche, die Umgebung lädt sofort und nicht erst nach und nach. Einfach ein rundum hübsches Spiel - pures Eye-Candy würde ich behaupten. Zudem kommen die wunderschönen Illustrationen bei besonderen Ereignissen und die einwandfreie Überarbeitung der Charaktermodelle, egal ob in 2D oder 3D. Das Spiel wurde von Grund auf neu entwickelt, also braucht ihr keine hochskalierten Hintergründe oder Ähnliches zu befürchten.
Zu einem gelungenen Remake gehört auch ein gut überarbeiteter Soundtrack und auch hier hat Gust mal wieder abgeliefert. Der Soundtrack wurde von Daisuke Achiwa und Toshiharu Yamanishi komponiert und wurde genau richtig an die neue Hardware angepasst. Man kann sich in Maries Atelier jederzeit beide Versionen anhören und eine eigene Playlist zusammenstellen, die im Atelier dann abgespielt wird. Zum Glück gibt es immer einen kostenlosen DLC in den neuen Spielen, der euch mit allen Soundtracks des gesamten Franchise versorgt, die ihr ebenfalls in diese Playlist packen könnt. Zu einem weiteren, noch kostenlosen, DLC gehört ein besonderes Accessoire zum 25. Jubiläum und der kostenpflichtige DLC beinhaltet 33 neue Kostüme für die kleinen Chibi-Figuren.
Natürlich fühlt es sich festlich und vollkommen an, wenn die Extras, die Musik und die Überarbeitung am Remake stimmen. Aber sehen wir davon ab, dass Atelier Marie 1997 die gesamte Reihe einleitete und man mit dem Remake auch ein wenig Historie spielt, die bisher außerhalb Japans nicht verfügbar war, dann könnte man meinen, Atelier Marie wäre ein ganz neues Spiel, das nicht zwangsweise etwas mit dem Rest des Franchise zu tun hat. Ich war positiv erstaunt über die kurze Spielzeit, über die bezaubernde Optik und über die allgemeine Stimmung des Spiels. Auch das Pacing hat trotz Zeitmanagement gestimmt, was nicht zuletzt am neuen "Unlimited Modus" liegt, der euch den Stress nimmt, alle Tage ständig mitzählen zu müssen, um die Prüfung am Ende zu bestehen. Stattdessen könnt ihr diese Prüfung nach fünf Jahren selbst einleiten, wann immer ihr wollt.
Etwas streiten kann man sich vielleicht beim Preis. Für ein Remake, wenn auch ein gelungenes und so aufwendiges, sind knapp 50 Euro schon an der Gerenze, gerade wenn man die Länge des Spiels mitrechnet. In fünfeinhalb Stunden könntet ihr mit der Geschichte durch sein, wenn euch nur die Hauptgeschichte interessiert. Zudem entfaltet sich diese Welt rund um Marie zwar wirklich gelungen, aber wenn wir uns die unterschiedlichen Szenen und Spielelemente nüchtern anschauen, findet auch viel Wiederholung statt. Versteht mich nicht falsch, den Preis sollte man nicht immer an der Stundenzahl messen, aber wenn ich kritteln wollte, dann am Preis.
Ja, auch die Charaktere und auch die Geschichte sind nicht besonders tiefgreifend, dafür aber sehr nachfühlbar. Es geht um den Alltag von Menschen, die nicht zwangsläufig danach streben ein Held zu sein. In dieser Welt sind sie Helden, aber das, was sie besonders glücklich macht, ist der Alltag, in dem man vielleicht mal eine besondere Person kennenlernt, ein spannendes Gerücht hört, einen hochwertigen Gegenstand erschafft oder einen neuen Ort findet. Diese Begeisterung an kleinen, alltäglichen Dingen präsentiert Gust besonders gut und diese Nuance scheint im Atelier Marie Remake besonders hell durch.
Atelier Marie Remake: The Alchemist of Salburg - Fazit
Als ich Atelier Marie in die Switch legte, war ich neugierig, habe aber erwartet, dass es mich ein wenig über den Ursprung aufklärt und dann zwischen all den anderen Spielen schnell in Vergessenheit gerät. Stattdessen sitze ich hier über diesem Test und zerbreche mir den Kopf, wie ich euch am besten klarmache, dass mir dieses Remake mehr bringt als die vielen, vielen Tage, die ich mit Animal Crossing verbracht habe. Vor allem die Atmosphäre wickelt mich ein. Fast wie eine Meditation im Garten oder BubbleTea mit der besten Freundin, entspannt jeder meiner Nerven allein schon, wenn ich nur den Startbildschirm sehe. Die kurze Spieldauer trägt angesichts meines sonstigen JRPG-Sortiments sicherlich dazu bei, aber es ist genauso die Farbgebung, die Charaktere, die Musik, die unkomplizierte Geschichte einer Schülerin, in die ich mich nur zu gut versetzen kann und der Fokus auf den Alltag, den das Remake gekonnt gesetzt hat. Weniger ist mehr - ein Gedanke, der hoffentlich den Entwicklern kommt. Atelier Marie denkt ihn in so vielen in vielen Facetten gut zuende, dass mir mehr neue Spiele in dieser Richtung wünsche.
Das Remake von Atelier Marie ist die überraschend starke Rückkehr eines Spiels, das viel zu leicht zwischen 24 anderen Teilen hätte untergehen können. Das Gemütliche im Genre der "Cozy-Games" hat schon lange kein Spiel mehr so hervorgehoben, wie dieses. Es ist schön, dass gerade der Ursprung der Atelier-Reihe so positiv hervorsticht und das mit einer hervorragenden Überarbeitung auf der Switch, die dem Westen zum Glück nicht mehr vorenthalten bleibt.
Atelier Marie Remake: The Alchemist of Salburg | |
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PRO | CONTRA |
Gut gestreute Geheimnisse, die Lust auf weitere Erkundung machen |
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